Bauwerk Mensa
Betrachtungen im historischen Kontext
Um zunächst das Bauwerk Mensa besser verstehen zu können, muss man ein wenig ausholen und ihren architektur- und gesellschaftshistorischen Kontext erläutern. Laura Weidig erklärt in ihrem Artikel ‚Zurück zum Beton‘ die politische Ästhetik und Philosophie des Brutalismus, des sozialen Wohnungsbaus mit Beton, der den relativ schnellen Wiederaufbau der Städte und der Bildungsbauten in der Nachkriegszeit ermöglichte.
Laura Weidig, Artikel 1 ‚Zurück zum Beton‘»Nutzung ist die beste Pflege«, lautet ein Kredo des Denkmalschutzes. Laura Weidig im Artikel »Zurück zum Beton«
Brutalismus, das ist ein Oberbegriff einer architektonischen Stilrichtung, die zwischen 1955 und 1979 ihren Höhepunkt erreichte. Le Corbusier, einer der bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts, prägte den Begriff béton brut, wörtlich „Sichtbeton“. Das damals innovative Baumaterial wurde zum zentralen Material und Gestaltungselement seiner zahlreichen Bauten und einer ganzen Generation von Architekten der 1950er bis 1980er Jahre. Auch Mies van der Rohe prägte mit der klaren, modularen Struktur des Bauhausstils den Brutalismus entscheidend mit. Der Architekt Walter Schrempf ließ sich bei seinem Entwurf der Saarbrücker Mensa, einem modular konstruierten Kubus aus 60 x 60 Metern, von diesen beiden Giganten moderner Architektur inspirieren.
Brutalismus kann getrost als der umstrittenste Baustil des 20. Jahrhunderts bezeichnet werden – zumindest retrospektiv: Bausünde oder großartige Baukunst? Ist das einer der Gründe, weshalb sie – damals wie heute – so polarisiert? Brutalismus ist ein Stil, der nichts beschönigt. Favorisierter Werkstoff ist der namensgebende, rohe Beton, der deutliche Spuren der Arbeitsprozesse zeigt. Diese Rohbau-Ästhetik springt beim Anblick brutalistischer Architektur sofort ins Auge. Baustoffe werden roh und unbearbeitet eingesetzt, nichts verkleidet, vergipst oder versteckt – „Form follows function“. Brutalistische Architekten waren beeinflusst vom Gedanken der Aufrichtigkeit – die Gebäude und Materialien sollten aussehen wie das, was sie waren, Konstruktionen sollten ‚ablesbar‘ sein: Träger, Balken, Versorgungsleitungen – alles muss offen verlegt werden, sichtbar bleiben, nichts darf hinter Putz verschwinden. Auf den ersten Blick soll sich den Betrachtenden erschließen, wie das Gebäude ‚funktioniert‘. Diese Offenlegung der Konstruktion feierte zeitgleich die handwerkliche Perfektion: die Spuren, die die Bauarbeiter hinterließen werden in der brutalistischen Architektur zum Gestaltungsmittel geadelt.
Im Gesamteindruck wirken die Gebäude aufgrund ihrer Größe wie monumentale Betonkolosse, imposant, dramatisch, der Oberflächenstruktur des Betons wegen aber auch aus der Nähe interessant.
Auf der anderen Seite sind täglicher Unterhalt und Erhalt des 50 Jahre alten Bauwerks, das seit 1997 unter Denkmalschutz steht, für den Betreiber der Mensa, das Studierendenwerk Saarland, ein finanzieller und organisatorischer Drahtseilakt. Denn die Mensa muss dringend und nachhaltig grundsaniert werden – der Beton bröckelt, die Versorgungsleitungen sind über 50 Jahre alt, das Dach ist undicht und die jährlichen Energie- und Betriebskosten sind auf Grund fehlender Dämmung immens. Dies wird sich in diesem und den kommenden Jahren auf Grund der steigenden Energiepreise noch verschlimmern. Die studentische Broschüre macht auch auf diese Missstände aufmerksam und unterstützt zusammen mit dem universitär getragenen Gesamtprojekt ‚Denk_mal anders – 50 Jahre BauKunst Mensa‘ die nachhaltige Sanierung des Gebäudes. Energieeffiziente Sanierungsvorschläge sind derzeit in Vorbereitung.
Betreiber und Motor der Mensa ist das Studierendenwerk Saarland. Es ist die große Konstante im alltäglichen, regen Treiben und kümmert sich darum, dass alles im Gebäude funktioniert. Insbesondere wird hier für die grundlegenden Belange der Studierenden gesorgt — Essen, Wohnen, Wohlergehen, Kinderbetreuung und auch Unterstützung zur Finanzierung des Studiums. Die Verwaltungsräume des Studierendenwerks liegen im Untergeschoss der Mensa. Der Beitrag von Corinna Kern beleuchtet die Aufgabengebiete des Studierendenwerks aus der Innenperspektive.
Artikel 8 – Das Studierendenwerk von Corinna KernDoch die Nutzung des über 50 Jahre alten Gebäudes bringt derzeit große Herausforderungen mit sich. Zwar steht das ‚Studentenhaus‘ als Gesamtkunstwerk aussen und innen unter Denkmalschutz und soll seit mehreren Jahren von der Landesregierung restauriert werden. Doch ist immer noch nichts geschehen und so musste das Studierendenwerk – bis vor kurzem noch ein Verein als ‚Studentenwerk im Saarland e.V.‘ – selbst einschreiten, um den Betrieb in der Mensa am Laufen halten zu können.
Notbeleuchtung im Foyer
Notmaßnahmen des Studierendenwerks Saarland beinhalten ein Fassadengerüst um das ganze Gebäude herum, um herabfallende Betonstücke aufzufangen, und eine Notbeleuchtung im Foyer. Auch die Farbenpracht der Skulpturen und Fassadenteile des Bildhauers Otto Herbert Hajek im Außenbereich sind verblasst. Weitere teure Mängel am Gebäude betreffen marode gewordene Fensterrahmen und Dichtungen sowie Einfachverglasungen und das Fehlen von Wärmedämmung, die jährlich zu hohen Energiekosten führen und die die Kasse des Studentenwerks stark belasten. Auch andere Energiekosten, die für den Betrieb notwendig sind, sind hoch. Seit der Corona-Pandemie kommen nun auch noch weniger Einnahmen hinzu.
Das Studierendenwerk sieht sich derzeit in einer Zwickmühle zwischen Nutzbarkeit, Erhalt und Denkmalschutz. Um die Aufgaben des Denkmalschutzes generell besser zu verstehen, hat sich Sarah Clement schlau gemacht, was die Gesetzeslage im Saarland dazu vorsieht. Tabea Motika befasst sich mit der konkreten Situation ‚Zwischen Denkmalschutz und Nutzbarkeit‘ vor Ort in der Mensa.
Artikel 2 ‚Einfach Denkmalschutz‘ von Sarah Clement Artikel 3 ‚Denkmalschutz versus Nutzbarkeit?‘ von Tabea Motika